Vorarbeiter im Schlachthof: „Ich mein, das war mir ja auch egal!“

Als Vorarbeiter überwachte er für den Konzern die Arbeit am Fließband. Die Subunternehmer und deren Beschäftigte wurden streng getrennt von den Stammkräften eingesetzt. Es herrschte ein absolutes Redeverbot zwischen den Stammkräften und den Beschäftigten der Subunternehmen (… das sei im Gesetz so geregelt, sagte er).

Wollte er als Vorarbeiter auf die Arbeit der Subunternehmens-Kolonne einwirken, ging das tatsächlich und ganz streng nur über den Vorarbeiter des Subunternehmens. Das entsprach also ganz dem, wie es mir auch jüngst vor Ort gezeigt wurde: die Vorarbeiter des Stammunternehmens standen neben den Vorarbeitern des (hier) ungarischen Subunternehmens und offenkundig nur diese im direkten Austausch miteinander.

Mein Gesprächspartner erläuterte weiter: Wollte er z. B. einen besonders guten Arbeiter des Sub-U an einer anderen Stelle eingesetzt sehen, war das mit dem Sub-U-Vorarbeiter zu besprechen und dieser hat dann an der anderen Stelle mindestens fünf neue Leute zusammen mit dem bei dieser Verrichtung besonders guten Mitarbeiter eingesetzt.(So sollte offenbar der Eindruck vermieden werden, der Schlachthofeigner könne bei Personaleinsatzentscheidungen direkt in das Subunternehmen hineinwirken. Denn mit dieser Direktion in Entscheidungsbereiche des Subunternehmens würde spätestens klar, dass hier kein Werkvertragsverhältnis bestehe, denn dies setzt die eigenständige Organisation der Tätigkeit des Werkvertragsnehmers voraus.)

Das Arbeitsklima innerhalb der Belegschaften des Sub-U beschrieb er als von einem harten Verdrängungswettbewerb geprägt. Nur die/der stärkste kommt dort durch/hält der hohen Belastung stand. Was mit den anderen ist, sei egal. Bei Eigenverletzungen, z. B. weil die stichsichere Arbeitsschürze fehlte und es zu Eigen-Verletzungen mit dem Schlachtermesser kam, kümmerte sich kaum jemand um die/den Verletzten. Verletzte wurden zwar weggebracht – aber wohin? Im Ergebnis verschwanden diese MitarbeiterInnen oder kamen irgendwann irgendwie körperlich wiederhergestellt wieder in den Schlachthof.

Menschen arbeiten dort wie Maschinen – so lange sie durchhielten. Wenn an einzelnen Tagen die Ansage kam, heute 400 oder 500 Schweine mehr zu schlachten und zu zerlegen, dann wurden die Bänder einfach schneller gestellt: „… das machen die Bänder ohne Probleme mit und die Leute müssen mitziehen…“. Somit läge die Steigerung zwar nur bei rund vier bis fünf Prozent. Gemessen an der im Regelfall beispielsweise bereits bei täglich rd. 10.000 Tieren liegenden Zahl sind 400 bis 500 Tiere keine Kleinigkeit mehr.

Die rund einmal monatlich stattfindenden Kontrollen vom Zoll (nach Umstellen des ganzen Geländes) betrafen alle Angestellten und Arbeiter. Die bereits kontrollierten wurden mit Bändern gekennzeichnet. Keine/n durfte das Werk verlassen, die/der nicht kontrolliert war. Gefunden worden sei so kaum etwas.

Der Verdienst der Werkvertragsarbeitnehmer liegt auch nach seinen Worten bei rd. fünf Euro/Std. . Das ist jedoch nicht das, was bei ihnen am Ende des Monats übrig bleibt. Schließlich sind zuerst die laufenden Kosten gegen zu rechnen, soweit ihm bekannt z. B. rd. 250 Euro/Monat/Person für die Unterbringung bei rund 200 Leuten in einer alten Molkerei z. B. mit Zehn-Bett-Zimmern und einer Toilette für rd. 70 Menschen.

Ihm berichteten rumänische Kollegen, dass sie die ersten drei Monate der Arbeit in D faktisch keinen Lohn erhielten, da der Verdienst dieser ersten Monate zunächst für die Kosten des Subunternehmers einbehalten wurden (offiziell für Transfer, Vermittlung, Qualifizierung etc.). Im Ergebnis mussten die Arbeiter also erstmal Geld mitbringen, um diese Monate hier überhaupt ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.

Das Gespräch näherte sich der für mich letztlich entscheidenden Frage, nämlich welche Chancen er als Insider sehe, diese ausbeuterischen Verhältnisse zu beenden. Er antwortete lakonisch:

Im Fleischsystem arbeiten alle Hand-in-Hand arbeiten („Mafia“) und es sei an dem Werkvertragssystem allein schon aus dem Grund nichts zu ändern, da diese Industrie hiermit eine Nische gefunden habe, die sie ökonomisch so erfolgreich macht und die sie daher nicht aufgeben werde. Schließlich könne sie anders gar nicht so billig ihre Produkte anbieten.

Zu den Arbeits- und Lebensverhältnissen dieser Menschen in der Schlachtindustrie sagte er abschließend achselzuckend: „Das war mir alles auch egal.“

Guido Grüner, nach Gedächtnisprotokoll

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